Kreishandwerkerschaften fordern einen Kurswechsel in der Energiepolitik
Hohe Gas- und Strompreise gefährden Arbeits- und Ausbildungsplätze im Handwerk
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
die Kreishandwerkerschaften Dresden, Region Meißen, Südsachsen und Görlitz sind die Interessenvertreter von mehr als 4.500 Innungsbetrieben. Das Jahr 2022 ist geprägt von Preisanstiegen bisher nicht dagewesenen Ausmaßes. Der Verbraucherpreisindex ist seit Januar um mehr als 7 Prozentpunkte gestiegen. Die Inflationsrate in Deutschland wird im August 2022 voraussichtlich +7,9 Prozent betragen. Die Gaspreise steigen um mehr als 400 Prozent. Gleiches gilt für den Preis pro Kilowattstunde, welcher sich schon jetzt um mehr als 50 Prozent erhöht hat. Im Bereich der Rohstoffe sieht es nicht besser aus. Da sind Preissteigerungen von mehr als 300 Prozent keine Seltenheit.
Unsere Handwerksbetriebe fragen sich höchst besorgt, was der Staat zu tun beabsichtigt, um auch diese angesichts ausufernder Kostenexplosionen zu entlasten. Denn höhere Preise für Produkte und Dienstleistungen lassen sich in Zeiten einer hohen Inflation kaum noch an die Kunden weiterreichen. Die Kunden unserer Handwerksbetriebe, angefangen beim Augenoptiker, Bäcker, Fleischer, Friseur, Tischler, Maurer, Konditor, Zahntechniker oder Zimmermann, bleiben auf Grund der steigenden Lebenshaltungskosten und der insgesamt unsicheren Situation aus oder sind in ihrem Kaufverhalten viel zurückhaltender geworden. Gefragt ist jetzt ein entschlossenes Krisenmanagement der Bundesregierung mit klaren, verbindlichen Aussagen und Aussichten.
Wir machen deutlich, dass der russische Angriff auf die Ukraine nicht toleriert werden kann. Die Welt braucht Frieden und keine Kriege. Verhandlungen zur Beendigung dieses unseligen Krieges müssen geführt werden.
Die Bundesregierung trägt jedoch die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass unsere Wirtschaft nicht durch die Auswirkungen des Krieges über Gebühr beansprucht wird.
Wir fordern Sie daher zum sofortigen Handeln auf:
Aussetzung der überproportionalen finanziellen Belastung des Einzelnen durch die Energiewende – keine Zeit für Experimente
Die Energiewende scheitert, wenn die Betriebe vorher zahlungsunfähig werden. Eine Lenkungswirkung der Preise zur Einsparung von Energie ist bei einem verzehnfachten Energiepreis nicht im Ansatz mehr gegeben. Im ureigenen Interesse reduzieren wir schon seit Jahren unseren Verbrauch. Aus fachlicher Sicht ist bei zügiger Umstellung der noch vorhandenen Niedertemperatur Heizungsanlagen gegen Brennwertgeräte eine sofortige Einsparung von 10-15% des Verbrauches von Gas bzw. Öl machbar.
Das Strommarktdesign muss angepasst werden. Beim Strommarktdesign geht es darum, wie der Stromgroßhandelsmarkt organisiert werden muss, um auch in Zukunft die Sicherheit der Stromversorgung zu garantieren.
Energie muss bezahlbar bleiben und kein Luxusgut werden!
Es muss einen Energiepreis geben, den die Wirtschaft bezahlen und damit ökonomisch agieren kann.
Mehr erneuerbare Energien bedeuten zugleich höhere Anforderungen an die Flexibilität des Strommarktes. Deutschland braucht eine stabile Stromversorgung mit stabilen bezahlbaren Preisen. Dies kann mit den derzeit am Netz befindlichen Anlagen nicht erreicht werden. Zur Herstellung einer stabilen Stromversorgung müssen die vorhandenen Atom- und Kohlekraftwerke wieder ans Netz gehen. Auch sollte darüber nachgedacht werden, die bestehenden Erdgasvorräte in Niedersachsen abzubauen. Mit einer stabilen Stromversorgung sinkt der Strompreis und in der Folge kann die Verstromung von Erdgas zurückgefahren werden.
Die Energiewende ist nur mit dem Handwerk machbar, dazu dürfen die Betriebe aber nicht vorher in die Insolvenz getrieben werden.
Stopp der Gasumlage
Es steht zu erwarten, dass die Gaspreise auch ohne die Umlage um 400 bis 500 Prozent in die Höhe schnellen. Damit ist die Gefährdung von Existenzen, sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich, schon vorprogrammiert. Eine Doppelbelastung von bereits erhöhten Gaspreisen und Gasumlage darf es nicht geben!
Die geplanten Maßnahmen des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz zur Energieeinsparung sind nur teilweise bzw. gar nicht umsetzbar.
Dazu gehören u.a.:
- Hydraulischer Abgleich in Gebäuden ist notwendig – jedoch zeit- und kostenintensiv
- Der Einsatz von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden ist nur in Verbindung mit fossilen Spitzenlastwärmeerzeugungen erreichbar. Die Folge ist eine Überlastung der Stromnetze durch den massiven Einsatz von Wärmepumpen, da mindestens 1/3 bis 1/4 , bei niedrigen Temperaturen gar ½ der benötigten Wärmeenergie elektrisch erzeugt werden muss.
- Der Einsatz von alternativen Energieerzeugern wie z.B. Solarthermie und Photovoltaik ist im Bestand nur begrenzt möglich (Statik und Denkmalschutz).
- Es wird eine Förderung benötigt, mit der eine nachhaltige Energieeinsparung in den Handwerksbetrieben vorangetrieben werden kann. Die aktuelle KFW-Förderung ist hier aufgrund der geringen Kapitaldecke, insbesondere der Ostdeutschen Handwerksunternehmen, nicht ausreichend. Durch den bestehenden Altbestand an Gebäuden sind in der Regel nach Sanierung KfW 55-Standards nicht erreichbar. Hierbei ist vorrangig auf die Nachhaltigkeit zu achten und nicht unbedingt auf die energetische Ausreizung sämtlicher Faktoren.
Das Handwerk erwartet umgehend Lösungen sowohl vom Bund als auch von der Landespolitik. Die Preise für Gas und Strom müssen wieder auf ein angemessenes Niveau gebracht werden. Die Lage ist ernst und gefährdet unsere handwerklichen Existenzen. Es stehen Arbeits- und Ausbildungsplätze in den kleinen und mittleren Betrieben des Handwerks auf dem Spiel. Die Geschäftsmodelle dieser Firmen sind in Gefahr.
Handeln Sie jetzt Herr Bundeskanzler, Ihrem Amtseid entsprechend zum Wohle des deutschen Volkes. Bei Ihrem Handeln sollte stets die Frage im Raum stehen, würde ich auch so entscheiden, wenn ich wie ein Unternehmer für diese Entscheidung haften müsste!
Gern laden wir Sie im Namen des von uns vertretenen Handwerks zum persönlichen Gespräch nach Dresden ein.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Möckel, Kreishandwerksmeister, Kreishandwerkerschaft Dresden
Michael Pieper, Geschäftsführer, Kreishandwerkerschaft Dresden
Peter Liebe, Kreishandwerksmeister, KHS Meißen
Jens-Torsten Jacob, Geschäftsführer, KHS Meißen
Gunter Arnold, Kreishandwerksmeister, KHS Südsachsen
Antje Reichel, Geschäftsführerin, KHS Südsachsen
Marcel Schulze, stellv. Kreishandwerksmeister, KHS Görlitz
Daniel Siegel, Geschäftsführer, KHS Görlitz
(5. September 2022, KHS)
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