Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
das Handwerk findet nicht genügend Auszubildende und Facharbeiter und muss lange nach einem Nachfolger suchen – die aktuellen Probleme auch unserer Betriebe sind kein Geheimnis. Daher wenden sich die Kreishandwerkerschaften Dresden, Bautzen, Region Meißen, Südsachsen und Görlitz als Interessenvertreter von mehr als 4.500 Innungsbetrieben mit der Bitte um Unterstützung heute an Sie. Zahlreiche Krisen und gesellschaftliche Veränderungen hinterlassen in unserer Gesellschaft immer größer werdende Bremsspuren – die Stimmung im Handwerk wird zusehends schlechter.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, haben wir die aus unserer Sicht dringendsten Erwartungen herausgearbeitet und fordern zeitnah Handlungen und Maßnahmen seitens der Landespolitik:
1. Verbesserung der schulischen Bildung
Das Handwerk stellt mit zunehmender Besorgnis fest, dass das Bildungsniveau der Schüler, die sich auf einen Ausbildungsplatz im Handwerk bewerben, zu einem nicht unerheblichen Teil erschreckend ist.
Dringend erforderliche Grundkenntnisse in Schreiben, Lesen und Rechnen sind oftmals nach einer acht- bis zehnjährigen Schulausbildung nicht oder nur unzureichend vorhanden, sodass hier im Rahmen der Schulbildung zwingend nachgesteuert werden muss.
Aus diesem Grund fordert das Handwerk:
- die Schaffung zusätzlicher Anreize für Schülerinnen und Schüler zur Absolvierung zusätzlicher Praktika in der Ferienzeit, z.B. in Form einer abgabenfreien Praktikumsprämie, wie im Freistaat Thüringen;
- Wertschätzung und Anerkennung der Leistung von Ausbildungsbetrieben in Form von unterstützenden Zuschüssen oder Steuervergünstigungen sowie besondere Berücksichtigung bei öffentlichen Ausschreibungen;
- die Sicherstellung der flächendeckenden Berufsorientierung an allen Schulen – auch an Gymnasien, unter anderem durch die Errichtung von regionalen Berufsorientierungszentren für das Handwerk.
Ziel muss es gemeinsam sein, Schüler aller Schultypen frühzeitig für das Handwerk zu begeistern, Talente zu erkennen und gezielt zu unterstützen. Dadurch wird es möglich sein, die Ausbildungsbereitschaft in den Handwerksbetrieben signifikant zu verbessern.
2. Bürokratischen Aufwand spürbar reduzieren
Eines der größten Ärgernisse ist die überbordende Bürokratie. Der immer weiter ansteigende Umfang der Aufzeichnungs- und Berichtspflichten ist fast zwangsläufig mit einer Fehleranfälligkeit verbunden, überfordert Kleinbetriebe und hat gravierende Folgen für die Attraktivität des Handwerks als Beruf, insbesondere für die Attraktivität zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Handwerk. Beispiele sind die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen, die sich immer weiter verschärfenden Vorgaben zu Lieferketten und die allgegenwärtigen Datenschutzvorgaben. Diese Vorgaben behindern uns im Handwerk und schnüren das Wesentlichste ab: Die Arbeit für Kundinnen und Kunden.
Wir fordern daher:
- die Aussetzung von ausgewählten Berichts- und Kontrollpflichten für einen Zeitraum von zwei Jahren;
- die Senkung der Aufzeichnungspflichten, wie z.B. der Dokumentationsaufwand bei zertifizierten Betrieben, die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung und die Nachweispflicht bei Temperaturüberwachung für alle Kühl- und Gefrieranlagen;
- die spürbare Vereinfachung von Antragsverfahren für Fördermittel etc.
Es muss uns gemeinsam gelingen, die Politik zur Abkehr von der Misstrauenskultur gegen- über dem Handwerk und der Selbständigkeit zu überzeugen. Verwaltung und Wirtschaft müs- sen zu einer Kultur des Vertrauens und des ziel- orientierten Miteinanders zurückkommen.
3. Selbständigkeit wieder attraktiv machen
Betriebsgründungen sind für eine Volkswirtschaft unverzichtbar. Sie bieten die Chance auf Innovationen, Wachstum, Ausbildung und Arbeit, sie schaffen privates Einkommen und Steueraufkommen für öffentliche Aufga- ben. Gründungen im Handwerk sorgen für den notwendigen Strukturwandel und tragen bei richtiger Rahmensetzung zur Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Gesamtwirtschaft bei und sichern den Wohl- stand auch im ländlichen Bereich.
Wir erwarten:
- eine verbesserte Förderung von Betriebsübernahmen, wie beispielsweise durch die Finanzierung gezielter Trainings- und Coa- chingangebote zur Entfaltung von Innovations- und Gründungskompetenzen;
- dass die Unterstützung der Gründungsbereitschaft von Auszubildenden und Junggesellen gleichgesetzt wird mit den Gründerinitiativen an Hochschulen;
- den Ausbau des Reparaturbonus auch für nichttechnische Bereiche, wie beispiels- weise das Maßschneiderhandwerk, damit sich im Sinne stärkerer Nachhaltigkeit die- ser Geschäftsbereich wieder stärker lohnt und unter Umständen eine Gründungsinitiative angeregt werden kann.
Starkes Handwerk braucht eine starke Nachfolge! Es gibt in unseren Berufsschulen nur wenige Angebote zur Förderung des unternehmerischen Denkens und Handelns. Lassen Sie uns gemeinsam den Gründergeist von jungen Menschen langfristig fördern und dabei den Fokus vor allem auf die Entwicklung von neuen Geschäftsfeldern und Geschäftsmodellen in den Handwerksunternehmen legen.
Gern möchten wir mit Ihnen in Sachsen neue Wege beschreiten und – wie z.B. in der Mediation üblich – einen Runden Tisch für die Probleme des Handwerks ins Leben rufen. Wir sind überzeugt, dass wir nur gemeinsam eine spürbare Änderung der Stimmungslage erreichen können. Sachsen soll auch in Zukunft ein stabiler Wirtschaftsstandort für das Handwerk bleiben.
Wir sind sehr gespannt auf Ihre Reaktion und erwarten eine zeitnahe Antwort.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Kreishandwerkerschaft Bautzen,
Kreishandwerkerschaft Dresden,
Kreishandwerkerschaft Görlitz,
Kreishandwerkerschaft Region Meißen
und Kreishandwerkerschaft Südsachsen